L 7/de

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D

ie silbernen Propeller an ihren Aluminiumslegern hoch über den Gondeln mahlten unermüdlich. Der Fahrtwind pfiff über die offene Gondel, hieb mächtig gegen den ungefügen, grossen Kühler, der zum Hälfte abgedeckt war. Peter Strasser schlug die Hände in den dicken Lederhandschuhen zusammen. Sein Atem dampfte.

Oberleutnant zur See Peterson sah den Kommandeur von der Seite an: 'Noch bitter kalt, Herr Kapitän, wo man doch nun bald müsste Rosen pflücken können...'

Det Wachoffizier sah von seiner Karte hoch: 'Hier jedenfalls nicht.'

Peter Strasser zog sich den wollenen Kopfschützer zurecht. 'Aber ich friere gern 20 Stunden, wenn ich dafür mit etwas stabilerer Wetterlage rechnen kann. Wir haben ja genug Pech gehabt: Erst wird von oben gebremst, dann dauert es 10 Tage, bis das Wetter überhaupt einen Englandangriff zulässt.'

'Ich hab mich jeden Morgen auf die Zeitung gestürzt, weil ich fürchtete, die Heeresluftschiffer wären uns zuvorgekommen', gestand Leutnant Brodrück.

'Angestrengt haben sie sich mächtig, aber denen wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel.'

'Platen und Fritz mit L 3 und L 4 waren wenigstens die Ersten drüben, und nach allem, was man zwischen den Zeilen lesen konnte, haben sie kräftig gewirkt.'

'Die Engländer sollen tüchtig geballert haben.'

Der Kommandeur nickte: 'Die lieben Bettern konnten aber wohl nicht viel machen, denn an dem Abend war Regen und Nebel drüben. Dafür haben sie dann doppelt und dreifach gezetert. Natürlich behaupteten sie, die Zepp-Angriffe seien völkerrechtswidrig, aber dieses Entrüstungsgeschrei ist eigentlich unverständlich, wenn man hört, dass alle Bomben doch daneben gefallen sind und nur ein paar Löcher in die Wiesen geschlagen hätten.'

Peterson lachte: 'Die winterliche Wiese möchte ich sehen, die so ordentlich gebrannt hat, dass noch von See aus der Feuerschein zu sehen war...'

'Aber dass wir danach den ganzen Februar verstreichen lassen mussten!'

'Beelitz hat mit L 8 es von Düsseldorf aus ja zwomal versucht. Nebel und Sturm! Bis sie ihn dann bei Nieuport runterholten.'

'Sind Nachrichten von ihm gekommen, Herr Kapitän?'

'Nein. Hoffentlich ist wenigstens die Besatzung am Leben.' Der Kommandeur blickte auf die graugrüne Dünung hinab. 'Man darf nichts übers Knie brechen!' sagte er ernst. 'L 3 und L 4 sind nun auch dem Wintersturm zum Opfer gefallen.'

'Aber wie haben doch jetzt die Hauptwetterwarte Belgien.'

'Trotzdem bleibt es schwer, das Wetter 24 Stunden voraus zu sagen. Wir müssen also den Luftschiffen die Wettermeldungen drahtlos nachsenden und die Offiziere darin ausbilden, dass sie auf den Fahrten die Wolkenformen, Windrichtungen in verschiedenen Höhen, Temperaturen und Barometerstand beobachten und hieraus selbst Schlüsse ziehen.' 'Also jeder sein eigener Wetterfrosch!' lachte Brodrück.

'Anders geht nicht, Brodrück! Sie müssen alle noch ordentlich die Nase ins Buch stecken...' -

Sie schwiegen, denn das laute Sprechen strengte an.

Eintönig hoben und senkten sich die Wogen der See. L 5 und L 6 standen weit ab an Steuerbord, wie schmale, graue Finger, die ebenfalls nach Westen zeigten, zum Feind hin. Strasser blickte hinüber. Hirsch und Breithaupt werden ihre Sache schon machen Bald musste sich die englische Küstensperre bemerkbar machen. Der Kommandant knöpfte sich den Pelz am Hals fester. Tief unten voraus kreutzten jetzt Schiffe, wohl die ersten Bewacher.

'Alle Lichter löschen!' befahl Oberleutnant Peterson.

Jetzt waren die Männer an den Rudern nur noch blasse Schatten. Schnell sank die Nacht. Die Schiffe unten hatten nicht ganz sorgfältig abgeblendet, obwohl sie doch die Motoren hören mussten. Schwarz jagte der Riesenleib des L 7 unter dunkelem Himmel nach Westen.

Auch L 5 und L 6 hatten jetzt wohl die Lichter gelöscht. Nichts war mehr won ihnen zu sehen. -

Die Männer hätten manche Nachtfahrt über See im Luftschiff gemacht, doch diesmal war eine andere Erwartung in jedem von ihnen. Gewiss, es war Freude an dem kommenden Kampf. - Freude des Mannes, der sich für seine Heimat einsetzen darf. Aber in diese Freude hineingemischt war doch auch das Wissen um die grosse Gefahr dieses Unternehmens, um die Dürftigkeit der eigenen Schiffe. Dieses Wissen hätte manchen abgehalten, ein solches Wagnis zu unternehmen. Peter Strasser aber nicht und keinen an Bord der L-Schiffe. Aus dem Dunkel der Führergondel leuchtete nur noch das Armaturenbrett des Maschinentelegraphen.

25 Luftschiffbomben sind bisher auf englischem Boden krepiert! Strasser nickte vor sich hin, ohne es zu merken. Und dann hat gestern auf einmal Mathy von seiner Aufklärungsfahrt gefunkt, ob er nicht England angreifen dürfe. Eigentlich ja etwas verkehrte Wirtschaft! Dehnt seine Aufklärungsfahrt weiter nach Westen aus, nimmt zur Vorsicht gleich sowiel Bomben mit als möglich und fragt dann im letzten Augenblick... Strasser musste aber doch lachen. Denn hatte er nicht immer betont, der Luftschiffer müsse freiwillig sein? Hier hatte man diese Freiwilligkeit! Man konnte sich Mathy richtig vorstellen, wie er immer nach ein bischen weiter nach Westen gefahren war, weil dieses Ziel: England ihn einfach magnetisch anzog. Strassers Augen versuchten das Dunkel zu durchdringen. Geht es uns denn anders? Starrt nicht jeder von uns mit beinahe sehnsüchtigen Augen voraus, einem Ziel entgegen, das uns nur Gefahr bringt, - und vielleicht den Tod?

Er stamfte mit dem Fuß. Die Kälte liess sich nicht abweisen in der offenen Gondel. Was nutzten da dickes Unterzeug, Lederanzug und Kopfhaube? Man musste immer wieder einen Schluck heisser Tee nehmen. Aber zuvor reichte er die Thermosflasche dem Mann am Höhensteuer. Der wollte nicht vor dem Kommandeur, doch sie mussten alle vorher ihren Schluck nehmen. -

Die See lag unter ihnen in schwarzer Ferne. Nur ab und zu schlimmerten ein, zwei Lichter hinauf, wohl die Positionslampem irgendeines Dampfers. Dann wieder war alles schwarz, bis Funken sprühten, wie flüchtige Sternschnuppen, aus irgendeinem Schornstein wohl.

Eisig sauchte der Wind in die Gondel. Nur an den Rändern konnten die Männer aufrecht stehen, denn in der Mitte lief der Kiel unter dem Schiffskörper entlang. Doch an den Seiten schnitt ihnen der Wind messerscharf ins Gesicht. So drängten sie sich vorn hinter den kleinen Windschutz, in dem der Seitensteuerer sein Rad Drehte. Sie hatten nicht alle Platz, aber wenigstens etwas geringer war der Luftzug doch. Man musste wieder einen heisen Schluck trinken, doch jetzt hatte keiner mehr recht Ruhe dazu. Eintönig hämmerte der Motor. Pfeifend hieben die Propeller die Luft. Schwarz war die See wie die Nacht umher. Nur noch das Schaltbrett des Maschinentelegraphen leuchtete aus dem Dunkel der Gondel.

'Brandung voraus!' hallte endlich der Ruf des Seitenrudergängers. Sie beugten sich über den Gondelrand. Wütend riss der Fahrtstrom an ihren Lederjacken. Die Gläser vor die Augen: 'Tatsächlich, Steilküste!'

Die Motoren donnerten.

'Darf ich die Bomben...' Brodrücks Stimme schwang vor Erregung.

'Bitte!' sagte der Kommandant, 'aber erst auf verabredetes Klingelzeichen hin, werfen!'

'Zu Befehl, Herr Oberleutnant!' Brodrück eilte nach hinten. -

Dann sprach keiner mehr. Die Rudergänger standen hinter den Rädern. Der Maschinist belauschte seinen Motor. Jetzt wurde voraus das fahle Band eines Flusses sichtbar. Unendlich langsam rann die Zeit. Immer wieder blickte Werner Peterson auf die Armbanduhr, schnell, als solle es der Kommandeur nicht sehen. Aber auch Strasser musste immer wieder auf seine Uhr blicken. 'Höhe?' frahte er jetzt, und seine Stimme war rauh.

'1200 Meter,' antwortete der Höhensteurer.

'Nicht viel...'

'Höher gehts nicht, Herr Kapitän.'

Peterson erklärte: 'Schwerer will ich das Schiff nicht gern machen, sonst sacken wir beim ersten Treffer ab, oder wenn ein Motor nachlässt.'

'Recht so!'

Dann schwiegen sie wieder. Schwarz zog das Schiff seine Bahn, langsam, viel zu langsam für jeden an Bord. Die Küste war überschritten, da blinkte es mit einem Mal unten auf, flutete hell in den Himmel, pendelte, suchte nun aufgeregt. Andere Lichtbänder folgten, weiss-grün.

Keiner sprach. L 7 hielt seinen Kurs ohne abzuweichen durch. Der Nachthimmel war jetzt gestreift. Zehn, zwanzig Geisterfinger mochten es nun sein. Nahe kamen sie, zogen sich im letzten Augenblick wieder zurück, griffen seitlich ins Leere, blendeten nun aber grell, dass der riesige Leib des Luftschiffes hell aufleuchtete.

'Hart Steuerbord!' schrie der Kommandant.

Der Scheinwerferstrahl glitt zur seite, fasste aber sofort wieder, andere Strahlen kamen hinzu. Jetzt vereinigten sich alle auf das Schiff, und schon blitzten tief unten rote Funken auf. Sterne zersprangen neben der Gondel, über ihr, - unter ihr. Immer mehr. Funken glühten drunten auf. Schrapnells kreisten L 7 ein. Peterson wollte das Klingelzeichen geben, aber der Kommandeur rief: 'Warten!', zeigte Backbord voraus die Stadt, die sich trotz aller Abblendung aus dem Gelände hervorhob. Die Schrapnelle platzten jett so nah, dass der Rauch in Schwaden durch die Gondel zig. Die Augen schmerzten den Männern. L 7 fuhr in einer Wolke von blendendem Licht, - schob sich Meter um Meter dem Ziel entgegen. Doch jetzt lagen die Salven der Abwehr so dicht, dass sie Explosionen das Knattern der Motoren übertonten. Splitter pfiffen, aber Peter Strassers Gesicht blieb unbewegt. So hell war es in der Gondel, dass man hätte lesen können. Der Mann im Gondelbug drehte hastig sein Rad, dass L 7 im Zickzackkurs lief, doch die Fangarme waren nicht abzuschütteln. Eine Granate sauste so dicht vorbei, dass man den Luftdruck spürte.

Der Kommandeur beugte sich über den Gondelrand, blickte den strahlendhellen Leib des Schiffes entlang, sah achtern das Kielwasser der Schrapnellenexplosionen, - biss sich die Lippen blutig, - wartete noch, - schrie dann endlich: 'Bomben fallen!'

Wie eine Erlösung war das. Peterson gab sofort das Klingelzeichen, und schon sprangen unten Feuerbälle auf, - glühten nach, - loderten jetzt jäh. Da verlosch ein Scheinwerfer, wie eine Auge, das sich schliesst. Flammen fratzen, hier und dort. Sie sahen es alle mit klopfenden Herzen, mit h'ammernden Pulsen, mit brennenden Augen...

Dann liess der Kommandant sein Schiff abdrehen. Die englische Abwehr feuerte wütender denn je, - hatte sich nicht schlecht eingeschossen. Es krachte und splitterte.

Da brüllte der Höhensteurer. 'Kann 1200 nicht mehr halten!'

'Also Treffer!' sagte der Kapitän.

'Schepp fällt dorch! We möt en Terffer hebben!'

Peter Strassers Stimme war beherrscht: 'Raus aus dem Feuer! Ich sehe mir die Zellen an!' Empfand dieser Mann denn gar nicht die ungeheure Gefahr des Augenblicks? Er rannte nicht, - nein, - er ging beinahe bedächtig, - man konnte das sehen im Widerschein der Strahlen. Ergriff nun vorsichtig mit den dicken Pelzhandschuhen die beiden Holme der Aluminiumsleiter, - zog sich hoch, - tastete behutsam mit dem Filzschuben, um nicht auszurutschen. Eiskalt riss der Fahrtwind an ihm, als er sich da frei zwischen Gondel und Schiff über die offene Leiter verholte.

Peter Strasser war sehr ruhig, wenn auch sein Herz nicht weniger klopfte wie das eines jeden Mannes im schweren Feuer. Aber er wusste, dass man hier zwischen Gondel und Luftschiff einfach nicht hastig sein durfte, wollte man nicht ins Bodenlose hinabstürtzen, wie dieser Maat neulich.

Ganz hnahe brüllte wieder eine Salve, - da war er im Laufgang. Mit beiden Händen griff er von Draht zu Strebe, - musste auch jetzt sich zusammen nehmen, denn dieser Laufgang war ja nur ein Steg, - nicht einmal das, - war lediglich eine elende Planke. Ein Fehltritt hätte den Mann durch den dünnen Bespannungsstoff aus dem Schiff stürtzen lassen!

So tasteten die Hände vorsichtig von einem selbstleuchtenden Wegweiser-Plättschen zum anderen, während draussen die Schrapnelle und die Brandgranaten tobten, - jetzt lauter, wo das Motorengeräusch ferner war. Die Gaszellen schienen riesige Pilze zu sein.

Stimmen waren da. Der Kapitän blitzte die Taschenlampe an. Der Segelmacher stemmte sich da zwischen zwei Zellen hoch. Unten stand einer mit Zellontopf und Pinsel, - zuckte nun sorgenvoll die Schultern. Es roch nach süsslichem Lack und Gas.

'Die Zellen laufen leer!'

Jetzt turnte der Segelmacher gewandt an den Verspannungen herunter. Auch er schüttelte den Kopf: 'Wir müssen einen Haufen Treffer haben, Herr Kapitän! Auch oben, an Stellen wo man nicht dran kann!' Er rieb die Klammen Hände gegenainander. Eben zerpaukte wieder ein Schrapnell ganz nah.

Ein paar Herzschläge lang glaubte sich Peter Strasser an eine Aluminiumstrebe lehnen zu müssen.

'Fehlt nur noch die Brandgranate!' lachte der Segelmacher heiser.

Es war Peter Strasser, als fühle er das Schiff sinken. 'Solange die Motoren laufen...' Aber kein Glauben stand hinter diesen Worten.

'Bestenfalls geht's dann in den Bach...' fügte der andere hinzu, '...oder der Engländer schnappt uns...'

Gefangenschaft? Dieser Gedanke peitschte den Kapitän auf: 'Kommt gar nicht in Frage!' Das klang wieder völlig sicher. 'Flicken Sie, was Sie können, Segelmacher! Ich schicke Ihnen Hilfe!'

Und er tappte wieder zurück durch den Laufgang, über die Leiter, vorsichtig, trotz aller Eile, - sah unten Brände lodern und viele Scheinwerfer aufgeregt hin- und herfingern, - sah das Zerspringen der Feuerbälle seitlich vom Schiff, jetzt schon höher als L 7.

Es geht abwärts! Da hilft nichts! Der Segelmacher hat schon recht: Gelingt es und, hier wegzukommen, dann stürtzen wir ins Meer. Kein Hahn kräht dann nach L 7, das keine Rettungsboots besitzt. Und was nützen Schwimmgürtel bei dieser Wasserkälte? 16 Mann sind dann dem Tod ausgeliefert, - hier über Land aber vielleicht noch zu retten, - teilweise wenigstens...

Dies dachte Peter Strasser, doch er unterbrach seinen Weg nicht. Er grübelte nicht lange. Er Erwog diese Gedanken blitzschnell und entschied ohne Zögern.

So entschied er: L 7 muss nach Hause gebracht werden! Und wenn das nicht mehr möglicht ist, wenigstens bis in die See! Der Feind darf das Luftschiff nicht erbeuten! Eher müssen mit alle unser Leben opfern!

Und wie er so entschied, zog es trotz allem wie irgendein befriedendes Gefühl in ihn.

In der Gondel drückte er sich an dem knatternden Motor vorbei: 'Wir haben eine Anzahl Treffer!' sagte er ruhig zu Oberleutnant Peterson.

'Heimatkurs liegt an!' meldete der Wachoffizier. 'Wenn wie wenigstens bis ins Wasser kommen!'

Die Offiziere hatten die gleiche Entscheidung getroffen.

'Ich übernehme das Seitensteuer!' sagte der Kapitän. 'So wird ein Mann frei zum Zellenflicken!'

'Ich gehe auch hin!' meldete der Kommandant. 'Wer freizumachen ist, soll helfen! Brodrück auch und der Funker...' Er hastete weg. -

Und so stand Peter Strasser im Gondelbug hinter der kleinen Schutzscheibe. Seine Hände ruhten sicher auf dem Steuerrad. Er hielt den Blick voraus, als könne er mit seinen Augen das Luftschiff hinüberziehen über die Küste, über die See. Hinter ihm sauchte und polterte der Motor. Immer noch schoss der Feind.

'Wir müssen versuchen, das Schiff dynamisch zu halten!' schrie Strasser dem Höhensteurer zu. 'Je mehr Gas wie verlieren, desto höher den Bug! Dann hebt der Fahrtwind uns wie einen Drachen!'

'Zu Befehl, Herr Kapitän!'

Dann schwiegen sie wieder. Peter Strasser blickte voraus. Welche Zellen sind leergelaufen? Wird das Gerippe den ungleichen Beanspruchungen standhalten? Die Gedanken jagten, aber die Hände taten ruhig ihren Dienst.

Endlich, endlich schob sich die Küste wieder heran, - war jetzt unter der Gondel, - blieb nun zurück. Peter Strasser atmete auf. Wenigstens bekam jetzt der Feind L 7 nicht!

Die Gondel stand schräg: 'Schepp fällt weiter dorch!'

Man könnte noch kehrt machen, zur englischen Küste zurück! Aber sie warfen die Ersatzteile für die Motoren über Bord, in die Tiefe der Nacht hinein. -

Und die Nacht war zäh und wollte nicht enden. Doch die Männer des zerschossenen L 7 waren nach zäher und wollten nicht nachgeben. Sie kämpften verbissen und ohne Unterlass. Als fahl der Morgen stieg, stand so L 7 bei Terschilling.

Der Kommandant trat heran: 'Herr Kapitän, ich werde mit FT um Hilfe bitten. Eine Torpedobootsflotille kann uns entgegengeschicht werden.'

Der Kommandeur nickte: 'Gut, Peterson!' -

L 7 fuhr ein paar hundert Meter hoch über den Wellen. Peter Strasser stand aufrecht, wie immer. Ruhig beobachtete er Kompassrose und Windabtrift. Fischerflotillen waren vor der holländischen Küste an der Arbeit. Dann verschwamm wieder der Horizont. Bald kamen graue Nebelfetzen heran. Ausweichen war nicht möglich, der Heimweg durfte nicht verlängert werden. Und gerade jetzt kam die Meldung aus der Achtergondel, dass der Motor unklar sei.

Peter Strasser biss sich die Lippen. Er sagte kein Wort, hielt unentwegt seinen Kurs. -

Nun war die See schon nicht mehr zu erkennen. Nasskalt war die Luft. Die Lungen wehrten sich. Die Augen brannten. Die Kälte setzte den übermüdeten Körpern hart zu. Oberleutnant z. S. Peterson kam: 'L 5 und L 6 melden erfolgreiche Angriffe auf Lowestoft. Sind trotz starker Abwehr auf dem Rückmarsch!'

'Danke!'

Der Nebel trieb in dicken Schwaden.

Alle mann waren auf ihren Posten nun schon seit 13 Stunden. Der Kapitän stand steif und kniff die Augen zusammen, weil der Nebel blendete. Nach einer Stunde wurde sein Schleier dünner. Unten wurde es schwarz. Nun endlich war das Meer wieder zu erkennen. Ein paar kleine Dampfer schlingerten, - fischten wohl. Dann kam Land voraus in Sicht.

'Borkum!' rief der Kommandant.

'Dem Kurs nach könnte das Stimmen!' nickte der Kapitän zurück.

Langsam arbeitete sich L 7 heran.

'Dann ists ja nicht mehr weit!' Oberleutnant Peterson beugte sich aus der Gondel. Nebelfetzen zogen immer wieder unter ihnen durch, trieben über das Land.

In diesem Augenblick zerklirrte der Windschutz von unten nach oben.

Peterson fuhr zurück. Auch die Bespannung über der Gondel zerritz. 'Die schiessen ja!' schrie er. 'Rauf! Höhensteuer! Rauf!'

Doch der Rudergänger stöhnte: 'Kann schon so den Kahn kaum noch halten!'

Peter Strasser sagte nur, und um seinen Mund war ein bitteres Lächeln: 'Holland!'

'Aber sie müssen doch sehen, wie es um uns steht...'

'Wenn ein Kriegsschiff Havarie hat, darf es einen neutralen Hafen anlaufen. Aber wir sind kein Schiff, sondern ein Luftschiff, - und ein deutsches dazu! Also veranstalten die lieben Neutralen sofort ein Preisschiessen...' Er brach mittem im Satz ab.

'Lohnt nicht!' sagte er still vor sich hin. 'Uns hilft keiner, wenn wir es nicht selbst tun!' Und er hielt weiter seinen Kurs.

Um 11 Uhr 53 setzte der Achtermotor ganz aus. Sofort fiel das Schiff noch weiter durch. Alle musste jetzt über Bord, was nicht unbedingt nötig war: Ledermäntel, Decken, Thermosflaschen, leere Benzinfässer, ja sogar Brennstoffleitungen und die Bombenabwurfvorrichtung.

'Wir fallen trotzdem in den Bach!' sagte der Höhensteuerer vor sich hin.

Der Kommandeur antwortete nicht. Er stand, als berühre ihn das alles nicht, - stand, den Blick voraus, und keiner hatte von ihm ein Zucken gesehen.

L 7 war auch jetzt noch zu schwer. Selbst die Maschinengewehr klatschten ins Meer mit vielen tausend Schuss Munition. Aber trotzdem wurden die Wellen immer deutlicher. Es war, als leckten sie schon heran. Die Antenne war längst eingezogen.

Da bekamen sie endlich in der Achtergondel wieder den Motor in Gang. Niemand hatte ihnen nach vorn Meldung gegeben, sie fühlten es gleich am Steuerdruck. Langsam konnte der Höhensteurer nun das Luftschiff wieder Meter um Meter höherdrücken.

Und dann waren schwarze Schiffe unten. Signale flatterten. Jetzt würde wenigstens die Besatzung gerettet sein, wenn L 7 auf die Wellen herunter musste.

22 Stunden stand jeder nun auf seinem Posten, ohne Ablösung, ohne Schlaf, ohne Essen! Es reichte langsam! Doch Peter Strasser kannte auch jetzt kein Sich-ergeben. Er hielt durch, und die Besatzung hielt durch.

Dann endlich kamen die Inseln, - kam die deutsche Küste. L 7 war doch noch bis Deutschland gekommen, aber keiner lachte befreit. Der Maschinistenmaat richtete sich hoch und wischte sich mit dem schmierigen Ärmel das Del von der Stirn.

Der Wind pfiff in den Drähten der Ballastzüge.

Eine Landung ohne Bruch war kaum möglich. 'Das Schiff ist so schwer, dass es sofort durchsacken wird, sobald die Motoren stehen!' sagte jetzt Peterson.

Der Kapitän nickte.

'Ich will tief anfahren und dicht über dem Trupp stoppen. Aber wahrscheinlich wird es trotzdem Bruch geben. Deshalb will ich alle in den Gondeln entbehrlichen Leute ins Schiff schicken.'

'Recht so!' bestätigte der Kapitän. 'Alles in den Laufgang!'

Der Kommandant stand noch unschlüssig: 'Und der Geistensteurer könnte doch jetzt wieder...'

Da lachte Peter Strasser zum erstenmal wieder: 'Nee, lieber Peterson, jetzt hab ich so lange geschippert, - nun will ich auch mal ziegen, was ich beim Kapitänschen Lehmann gelernt hab!' Da gab es keinen Wiederspruch, und so blieb der Kapitän mit dem Kommandanten, dem Höhensteurer und dem Maschinisten allein in der Gondel. -

Es kam, wie es kommen musste: Kaum standen die Schrauben, als das Luftschiff, nun nicht mehr dynamisch getragen, durchfiel. Rasend schnell kam die Erde näher. Hundert Hände strecken sich ihnen entgegen. Der Höhnsteurer versuchte mit vollem Ruderausschlag den Sturz zu mildern, da krachte es auch schon und splitterte. Die Stützstreben zwischen Gondeln und Schiffskörper knicken ein, die Gondeln wurden in den Rumpf hineingedrückt.

'Festhalten!' hatte der Kapitän noch schreien wollen, da wurden sie alle schon zu Boden geschleudert. Doch dann ruhte das Schiff fest in den Händen des Trupps.

Das Einfahrtmanöver gestaltete sich nicht leicht, aber jeder in und unter dem Schiff tat seine Pflicht. Und so lag L 7 endlich auf seinen Böcken in der Halle. Niemand war verletzt. Der Kommandeur besah sich mit dem Kommandanten den Schaden.

'Das kriegen wir in 14 Tagen wieder hin!' Er klopfte Peterson die Schulter. 'Und immerhin hat diese Nacht den Engländern 78 Bomben beschert. Damit können wir ganz zufrieden sein!'

Noter[redigér]

Side 71-84.